Mittwoch, November 01, 2006

Prolog: Teil 1

Wieder einmal verließ er diese mickrige Spelunke stockbesoffen und wieder einmal fragte er sich, ob sich die Welt schon immer so schnell drehte. Dann sah er nur noch Wurstsalat. Wurstsalat, der gerade aus seinem Mund in den Abwasserkanal wanderte.

Und als er sich nach einiger Zeit des Hin- und Herüberlegens endlich darauf festgelegt hatte, dass das Leben ein Karussell mit zwar variabler aber nicht immer intentional beeinflussbarer Geschwindigkeit ist, fiel es ihm wieder ein:

"In drei Stunden bin ich auf einer Hochzeit zu Gast. Meiner eigenen."

Solche Nebensächlichkeiten konnten ihm durchaus schon einmal entfallen, zumal seine einzig wahre Liebe allabendlich lockte und anschließend, einem Ritual gleich, die Zentrifugalkraft wirken ließ.

Tatsächlich hatte Wurstsalat grundsätzlich wenig Überlebenschancen in seinem Magen.
Er überprüfte seinen Körpergeruch, zog seinen schnieken Hut auf und lief Richtung Hauptbahnhof. Doch er sollte nicht weit kommen.

Sie war ihm schon aus der Ferne, wiewohl schemenhaft, bekannt vorgekommen und je näher sie kam, je mehr sich der Schleier des sibirischen Nebels hob, desto stärker wurde ihm bewusst, dass sich ein berufsmäßiger Heiratsschwindler selbst im tiefsten Ural nicht gänzlich sicher fühlen konnte.

Da ihm klar war, dass an diesem trostlosen Ort jeder Versuch, die Konfrontation mit seiner Vergangenheit zu umgehen, scheitern würde, blieb er stehen, zückte ein Stofftaschentuch und wischte sich, als sie schon vor ihm stand, den Rest Salat aus den Mundwinkeln.

Sie hob ihren Kopf und begann, in einer seltsamen Sprache zu ihm zu reden, die er nicht verstand, jedoch befand sich glücklicherweise ein Dolmetscher in dem Koffer, der neben ihr stand, der wie auf Kommando heraussprang und simultan übersetzte:

"Ich hätte meine Oma darauf verwettet, dich hier zu finden - hackedicht und..." sie rümpfte die Nase "... Herrgott, du bist immer noch nicht vom Wurstsalat weg!"

Nein, er war immer noch nicht vom Wurstsalat weg. Sein ganzes Leben war Wurstsalat. Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, um schon wieder an Wurstsalat zu denken...oder doch?

Er schaute den Zwergen-Dolmetscher an und sah anstelle des Kopfes eine Riesenschüssel Wurstsalat, die sich jedoch sofort auflöste, nachdem er sich selbst ohrfeigte...die Erinnerung an Wurstsalat verschwand allerdings nie.

Der Zwergen-Dolmetscher räusperte sich. Er wollte doch wohl hoffentlich nicht wieder über seinen Lieblingsfilm - Goldfinger - diskutieren? Und ob er das wollte: "In einer Szene zu Beginn des Films wird eine Frau durch „Hauterstickung“ getötet. Ihr Körper war vollständig mit Gold überzogen worden und sie starb, da ihre Haut nicht mehr „atmen“ konnte. Angeblich basiert diese Idee auf der Geschichte eines Models aus der Schweiz, die ihren Körper mit Goldfarbe überzogen hatte und erstickte. Doch obwohl diese Erklärung plausibel erscheint..."
Sein törichtes Geschwafel war ermüdend! Der Zwerg musste weg!

Der Mann ging auf ihn zu und war kurz davor, ihn mit seinen eigenen Händen zu erwürgen, da fiel ihm seine alte Bekannte wieder ein, die seit 5 Minuten wild gestikulierend irgendetwas erzählen wollte, ohne, dass ihr jemand zuhörte. Er wollte doch wenigstens noch hören, was so wichtig sein könne, es mit solch einer choreographisch anmutenden und doch aggressiven Gestik zu untermalen, also ließ er ihn erstmal leben - noch.

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