Freitag, Dezember 24, 2010

Kapitel 7 - Herr Jacksons Winterdepressionen



"NEEEEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNNNNNNN!!!!" rief Ace durch die spärlich besuchte Kantine während er sich den Ketchup aus dem Gesicht und von seiner Kleidung wischte. Er hatte gerade erfahren, dass seine Lieblingsserie "Garstiger Vater und vorlaute Göre" vor zweieinhalb Jahren abgesetzt wurde. Der Typ hinter der Theke schauderte verachtend vor diesem abgehackten Klischee, aber ein Großteil der Kundschaft in diesen Space-Kantinen bestand aus abgehackten Klischees und er war professionell genug, sich nichts andeuten zu lassen. "Könnt ihr verweichlichten Kosmos-Knalltüten nicht einmal keinen Schaden im Schädel haben oder mich nicht wenigstens nonstop nerven?" Kleine Korrektur: "Er war normalerweise professionell genug, sich nichts andeuten zu lassen, aber die Finanzkrise, die, ähnlich wie Fernsehsignale, durch das Weltall reist und entfernte Planeten erst mit vielen Jahren Verspätung erreicht, hatte auch hier auf Kutskukuul bleibenden Schaden hinterlassen und ein kaum besuchter Wüstenplanet war für einen solch kleinen Imbiss sowieso ein wirtschaftlich bedenklicher Standpunkt. Dies ging auch an Luciano Hackett, dem Besitzer und "Typen hinter der Theke" der Kantine nicht spurlos vorbei und brachte sein grobes, aber völlig harmloses Gemüt hin und wieder zum Vorschein.

Ace, der dem Typen hinter dem Tresen vorerst keine Beachtung schenkte, nahm seinen Finger in den Mund um dann mit diesem bespeichelten Präparat Ketchupflecken auf seinem Space-Suit zu bearbeiten. Der Effekt war nicht berauschend. Während der Fleck unbeeindruckt vor sich her fleckte, begann das Material des Space-Suits in Fleckennähe aufzuweichen und zu bröckeln. Ein seltsames und merkwürdiges Schauspiel. Freilich war die Qualität des Space-Suits nicht annähernd das, was man "ordentlich" nennen kann: Allein die Herstellung des Suits löst auf dem Planeten Hypochondria jedes Jahr zwei Klimawandel aus, da viel Kohlenstofftrioxid (CO3) für die Schneiderei-Roboter von Nöten war. Die Tatsache, dass der Suit aus zusammengeflickten Gummihandschuhen bestand tat sein übriges. Aber das war nicht der Grund für das Bröckeln, das wusste auch der Typ hinter dem Tresen, der sich die Farbe von Ace' Speichel auf so un-unverdächtigte Weise begutachtete, dass jetzt selbst Ace auf ihn aufmerksam wurde.

"Hey, Du Typ!" rief Ace und zeigte mit seinem rechten Zeigefinger auf den Barmann, denn zum Zeigen ist der Finger nun mal da. "Was mache ich hier und wie komme ich wieder weg!?"
"Zuallererst", antwortete der Kneipier, "hat der Typ hier auch 'nen Namen. Und der lautet....Hackett! Meine Freunde nennen mich Luciano, weil das mein Vorname ist und es viel mehr Spaß macht, das laut zu sagen. LU-CI-A-NO. Luciano. Luciaaaaaaaaaano. Luuuuuuuuuuuucianooooooo." Hackett machte dabei ausufernde Gesten mit seinen Armen, wodurch er versuchte, die vielen Möglichkeiten der Intonation noch weiter hervorzuheben, es sah aber eher danach aus, als machte er Trockenübungen für das nächste Spacetennis-Turnier. "Nun, da wir das geklärt hätten, LUCIANO, möchte ich auf Deine Fragen zurückkommen: Was weiß ich und mit 'nem Raumschiff, Du Intelligenzbolzen. Was ich Dir sagen kann, ist, dass Du höchstwahrscheinlich ein paar Feinde zu viel hast. Mächtige Feinde. Schmächtige Feinde. Schmächtige Feinde mit Prügeltrupps, die Rambo 2 wie einen Pfadfinder aussehen lassen. Einer von diesen Pfadfindern, die Kekse an der Haustür verkaufen. Hmm, Kekse. Wertvolle, saubere Kekse."
"Schluss mit dem Quatsch, Hackett! Was weißt Du!?", fragte ein entnervter Ace, der nun zu allem Überfluss auch noch Lust auf Kekse bekommen hatte.
"Schau Dir die Leute hier in meinem Laden doch mal an. Die wurden alle hierher verfrachtet von einer Geheimorganisation, dessen Name mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt, deshalb sage ich ihn jetzt mal lieber nicht. Außerdem, haben sie hier überall Kameras installiert.“
"Ojemine!", seufzte Ace laut vor sich hin, "Und das an Weihnachten!".



Ace war sich der Tatsache, dass es Weihnachten sein musste, nur bewusst, da Lucianos Imbiss mit dem kitschigsten Krimskrams diesseits der Wohnung von Aces Großmutter geschmückt war. Üppige Spaceschneemänner, schmackhafte Spacelebkuchen und grinsende Rentiere (Spacerentiere waren seit den Kriegen um den Nordkapplaneten ausgestorben und die meisten Leute waren sich einig, dass dies im Großen und Ganzen kein verheerender Verlust war. Die meisten Leute waren aber auch nicht auf Spacerentiermilch angewiesen, welche für dutzende Menschen und andere Wesen mit einer seltenen Unverträglichkeit namens Allesaußerlaktoseintoleranz ein wichtiger Bestandteil ihrer Nahrung darstellte, da Spacerentiermilch zu 99% aus Laktose und zu 1% aus Liebe bestand) dekorierten Hacketts Imbiss, sodass jeder, der nicht sowieso stets einen Kalender mit sich trug dezent darauf hingewiesen wurde, dass nun die Zeit gekommen war, einen Kalender für das neue Jahr zu kaufen.

Zeit für einen neuen Kalender und natürlich auch Zeit für kitschige Musik. Ace hatte schließlich schon beim Betreten von Lucianos Etablissement die schicke Retro-Jukebox entdeckt, die wohl aus der Zeit der pangalaktischen Kulturkriege stammen musste, in welcher Musik kurzzeitig als Muzak bekannt war. Ace frohlockte, als er bei der Musikauswahl "There's no night like spacenight" entdeckte und die mp40-Krawallplatte daraufhin sofort auflegte. Muzak, respektive Musik war mittlerweile in der vierten Dimension genießbar. So erschien beim Spielen der Musik auch sofort ein tanzender Weihnachts-Wichtel namens Philippe, der mit seinem amüsanten Zwergen-Gehopse dem audiophilen Freund die visuelle Komponente präsentierte. Darüberhinaus waren Songs in ihrer Länge flexibel. Je nachdem, wie gut ein Stück ankam, entschied die künstliche Jukebox-Intelligenz Karl Heinz, wie lange der Song gespielt wurde. Sagen wir es so, Philippe durfte nicht lange tanzen. Schon nach den ersten Takten des Evergreens "There's no night like spacenight" herrschte urplötzlich Totenstille im Raum. Die Gäste waren geradezu entsetzt, als würde der bloße Gedanke an Weihnachten Ihnen einen Schauer aus schlechten Geschenken verpassen. Natürlich war Philippe für solche Momente ausgebildet. War die Stimmung ganz unten, halft ihm immer noch ein Trick: er packte sich selbst am Bart und schleuderte sich durch die Luft um durch die Unterhaltung des einfachen Mannes die Stimmung zu heben.

Ace sah sich die Kundschaft in Lucianos Kaschemme etwas genauer an. "Grundgütiger", dachte er sich, "die sehen wirklich alle miserabel aus." Ace kommentierte nicht nur die Attraktivität der Stammkundschaft, sondern auch die Stimmung in der Absteige, nachdem der Weihnachtsklassiker nach nur wenigen Takten abrupt endete.

Was war an Weihnachten so schlimm, dass jeder Besucher in Lucianos Gasthaus bei dem Gedanken an die Festtage sofort in schluchzende Depressionen stürzte? Ace beschloss, es herauszufinden, also setzte er sich an den nächsten Tisch, an dem auch ein bärtiger Muskelprotz saß, bei dem man auf den ersten Blick niemals Tränen vermuten würde. Jedoch sammelten sich bei diesem Muskelberg die Tränen zwischen den Barthaaren, fast so wie ein ruhiger, friedlicher Gebirgssee inmitten einer kleinen Lichtung auf einem eingeschneiten, mit Nadelbäumen bewucherten Hang. Ganz still, dann können wir vielleicht...ja, da hinten! Eine Hirschmutter hat sich mit ihrem Kalb ein ruhiges Plätzchen am Ufer gesucht und die beiden frischen sich am Wasser ein wenig auf. Im Hintergrund türmt sich das Gebirge in ein atemberaubendes Schauspiel, nur wenige Wolken bedecken den blauen Himmel. Für das Fell der Hirsche mische ich gerne ein warmes, leicht rötliches Braun mit einer Idee hellem Ocker. Ja, perfekt. Habt keine Angst beim Umgang mit Farben und denkt immer dran: Wir machen keine Fehler, nur fröhliche, kleine Unfälle. Aber ich schweife vom Thema ab, was im Übrigen auch etwas ist, das man niemals mit bärtigen Muskelprotzen assoziieren würde.

Der Muskelprotz bemerkte, dass Ace mittlerweile staunend, ja fast schon besessen, seinen tränendurchweichten Bart in den verkrampften Händen hielt und immer wieder "Raaaah"s und "Roooooh"s von sich gab. ("Raaaah"s und "Rooooh"s lößten im Zuge der intergalaktischen Rechtschreibreform "aaaah"s und "ooooh"s als offizielle Ausdrucksmittel des Erstaunens ab.) Das war dann selbst für den Bärtigen zu viel, obwohl der depressive Bartträger gerade die Höchstwertung ***** der Rolling Space Skala für apathische Depressive bekommen hat und wahrscheinlich nicht mal dann reagiert hätte, wenn Luciano angeboten hätte, eine Runde zu schmeißen, was freilich einmal in hundert Spaceäonen passierte.

"Heh!", sprach der Weinende. "Heh! Was machstndu?" Ace ließ seinen Blick zum ersten Mal seit acht Minuten von dem Bart ab und sah in das aufgequollene Gesicht dieses doch sonst so kantigen Zeitgenossen. "Oh! Ist das Ihr Bart? Das tut mir leid....nicht." Der Weinerich überhörte glücklicherweise das neckische "...nicht" am Ende von Ace' Satz, welches sich in Gegenwart einer so mächtigen wenn auch traurigen Person nur ein echter Weltraumheld erlauben konnte und erwiderte: "Schon Okay. Mein Name ist übrigens Berti. Berti, der Bärtige. Ich heiße so wegen meines bärtigen Bartes." Ace' Blick schweifte wieder hinüber zu Bertis Bart, welchen er immer noch mit völlig verkrampften Fingern umklammerte. "Freut mich, Berti. Ich bin Ace. Kannst du mir mal sagen, was hier los ist? Und versuchen, ein bisschen mehr Souveränität in deine Stimme zu bekommen?"

Berti räusperte sich kurz, warf ein fragendes Nicken in Ace' Richtung, als ob er fragen wollte: "Besser so?", was Ace natürlich nicht beantworten konnte, da Berti diese Frage auf nonverbale Art stellte. "Nun, Ace...Ich wüsste auch gern, was hier los ist. Ich denke, das wüssten wir alle gern." Zögernd stimmten die anderen Gäste mit einem verzweifelt grob klingenden kollektiven Grollen, welches allerdings mit einem unüberhörbarem Seufzen unterlegt war, Bertis Aussage zu. "Aber die Wahrheit ist eine ausgehende Währung in diesem Teil der Galaxis..." Normalerweise würde sich Ace nicht lumpen lassen, irgendeinen sarkastischen Kommentar zu dem Pathos, den Berti gerade in das Gespräch brachte, loszulassen, aber der Anblick von einem knappen Dutzend bärtiger Hünen in Holzfällerkleidung, die in ihr Spier© (Spier© ist ein eingetragenes Markenzeichen der Schluckspecht und Sohn Spacebier-Brauerei. Schluckspecht und Sohn ist eine Abteilung der Gesichtslos und Tanten Corporation. Versuchen sie nicht, uns über's Ohr zu hauen.) weinen. "Das letzte, woran ich mich erinnern kann", fuhr Berti fort, "ist das Lachen einer Heerschar von glücklichen Kindern. Oh, wie sich dieser diabolische Klang in meine Erinnerungen eingebohrt hat und mich in kalten Nächten verfolgt. Jedes mal, wenn ich mich nach meiner Heimat sehne, nach meiner Frau, nach meinen Kindern, nach dem Teich mit den kleinen Watschelenten, nach meinen Hausschuhen, ja sogar nach meiner nervigen Schwiegermutter, jedes mal werde ich von diesem hysterischen, schrecklichen, fröhlichen Gelächter auf den blutigen Boden der Realität zurückgerissen...vergiss es, Ace, dies ist Kutskukuul!"

Kutskukuul....Kutskukuul....Ace runzelte die Stirn und drehte seine Pupillen schräg nach oben. Wäre er Teil eines Films, würde jetzt jener kurze Rückblick- oder Traumsequenzen-einleitende Harfensound erklingen, welcher stets benutzt wird, um Rückblicke oder Traumsequenzen einzuläuten. Kutskukuul! Die Geschenkminen, die Sklaverei, das Joch! Der Weihnachtsbot! Ace konnte sich zwar in seiner Rückblende nicht mehr an all das erinnern. (Vielmehr nutzte er die vom Plot dafür vorgesehen Zeit, sich zu erinnern, um von einem devoten, sich selbst in die Pfanne schlagen und selbst braten wollenden Kuckucks-Ei zu träumen) Doch für solche Momente des Versagens hatte er ja seinen interaktiven Episodenguide. Ace lachte schallend, als er den Guide durchstöberte und sich an seine aberwitzigen und nie richtig zu Ende gedachten Erlebnisse erinnerte. So schallend, dass er das ebenfalls schallende, aber nicht ganz so wie Ace' Lachen schallende Lachen an der Eingangstüre schlichtweg überhörte. Erst als das Weinen Berties lauter schallte, als beide schallende Gelächter zusammengenommen, wurde Ace wieder zurück in die Realität gerissen. Dort! Ace! An der Tür! Der Weihnachtsbot! "Eine wunderbare Situation für einen
Cliffhanger", sagte Ace in Erwartung anerkennender Kommentare ob seines intelligent scheinenden Witzes. Dass die Horde zähneklappernder Weinerlinge, die seit des Auftritts des Weihnachtsbots nur noch eine Karikatur von der Karikatur waren, die sie eh schon waren, jetzt nicht zum Scherzen aufgelegt waren, lag eigentlich auf der Hand. "Ho! HO! HO!" - hey, da hat ja doch noch jemand über den Witz gelacht, dachte sich Ace. Nein, verdammt! Es war nur das rhetorische, ein Gespräch einführen wollende Lachen des Weihnachtsbots.

"Ich bin gekommen, um Geschenke zu verteilen und euch in den Arsch zu treten..." grollte der Weihnachtsbot spitzbotisch, "und meine Geschenke sind gerade ausgegangen. HA HA HA HO HA HO HO HO HO!!!" Als der Weihnachtsbot über eine Spaceminute bedrohlich lachte, fasste er sich auf seinen metallenen Bauch, als ob er sich vor Lachschmerzen kaum noch halten könne, was natürlich reine Pose war, da er als Weihnachtsbot keine körperlichen Schmerzen spüren konnte (die emotionalen Schmerzen trafen ihn dafür umso härter). Passend dazu schloss er die Augen und warf seinen Kopf zurück, was Ace und den Weinerlingen eine einmalige Chance bot, durch die Hinterausgang zu entkommen. Leider dachte keiner der Anwesenden an diesen Standard-Fluchtplan und so fanden sie sich kurz darauf in der Obhut des Stahlsantas in dessen Weihnachtsshuttle wieder. "Nicht schon wieder dieses blöde Shuttle", dachte sich Ace. "Hast Du etwas gesagt, Jackson?" fragte der Weihnachtsbot nach hinten in die Zelle, während er sein Gfährt manövrierte. "Nein," antwortete Ace, "nur gedacht."

"Ach so, na dann. Wie fühlt es sich an, nach all den Jahren wieder in derselben Zelle zu sitzen? Ich musste sie extra saubermachen und von all dem Schlamm befreien, der sich auf der Matratze festgesetzt hatte. Aber ich konnte es mir nicht entgehen lassen, immerhin habe ich damals gutes Geld an Deinen angeblichen Freund Freyon bezahlt, um an Dich zu kommen! Ich muss Dir sagen, es sah nicht so aus, als ob ihm an Deiner Freundschaft viel liegen würde, als er den Vertrag unterschrieb!"

"Ja ja, am Ende kam er aber doch noch, um Zwerg, Busch und mich aus Deinen Geschenkminen rauszuholen. Ach, Zwerg und Busch. Irgendwie vermisse ich diesen kleinen Miesepeter und das naive Gewächs. Apropos Freunde...ich schätze mal, Dir schickt zu Weihnachten niemand eine Karte, richtig, Du Schwermetall-Sklaventreiber!?" Der Bot wischte sich eine einzige Träne aus den Augen, denn er war sehr verletzt.

"Hör nicht auf ihn. Du hast 23 Freunde auf Spacebook, dieser Ace hat doch keine Ahnung", sagte der Weihnachtsbot zu sich selbst. Oh, jetzt hatte er in dem ganzen Entführungstrubel doch glatt vergessen, auf Spacebook und auf Bösewichte.VZ seine jeweiligen Status-Updates von "Frühstücken" auf "Entführung" umzuändern. Doch in Zeiten, in denen der Begriff "modern" Schon längst wieder "antik" ist, ist das natürlich auch während einem interstellaren Ritt im Spaceshuttle kein Problem. Verärgert musste der Weihnachtsbot feststellen, dass es sogar nur noch 21 Freunde auf Spacebook waren, ein befreundetes Ehepaar hat ihm wohl die Freundschaft gekündigt, nachdem er deren Kinder versklavt und ihr Haus niedergebrannt hatte. Das tat weh. "Bestimmt nur eine betrunkene Kurzschluss-Aktion von denen, wirst sehen, morgen kommen die wieder angekrochen und schicken eine erneute Freundschaftsanfrage raus....und dann werde ich sie warten lassen! HO HO HO!" Der Spacebot war mittlerweile völlig versunken in sein Social Networking. Vor allem für die Umfrage auf Bösewichte.VZ mit dem Titel "Von welchem Superhelden würde ich mich am liebsten besiegen lassen", hatte es angetan.

Tja, hätte der Bot in der Spaceshuttle-Fahrschule mal nur besser aufepasst. Die alte Faustregel im interstellaren Spaceverkehr lautet schließlich nicht umsonst: Jede Sekunde, in der man beim Flug nicht auf den Weltraum schaut, fliegt man 700 Milliarden Lichtjahre blind. So kam es, dass der Bot sein Dimensionstor nach Kutskukuul verpasste, was ihm den Spott aller im Shuttle versammelten Entführten einbrachte. Das brachte des Fass zum Überlaufen. "Ulf, übernimmt du das Steuer. Ich muss die Meute da hinten mal ein wenig züchtigen!" Ulf war Santa Bots Lieblingsrentier-bot. Das liegt vor allem daran, weil es der einzige Rentier-Bot war, den der Weihnachtsbot besaß, denn Ulf war ständig hypernervös. Wegen dieser Fehlprogrammierung musste er dreimal täglich Schaltkreise einnehmen. Freilich konnten sie seine Nervosität und Ängste nur geringfügig zügeln. "Uiuiuiui, w..w.willst du wirklich mimimimich ans Steuer lassen, ich bin doch nicht ganz dicht!" Santa Bot schüttelte auf Ulfs Bemerkung hin nur den Kopf. "In den U Space A haben sie nach all den Jahren des Rassen-Kampfes zum ersten Mal ein Alien zum Präsidenten gewählt, aber einen vernünftigen Hilfs-Bot zu bauen, das ist ihnen anscheinend immer noch nicht möglich..", dachte sich Bad Santa.

Aber immerhin hatte Ulf einen besseren Plan des Universums einprogrammiert bekommen, als man ihn je hätte drucken können. Der Weihnachtsbot war so ziemlich der mieseste Navigator, den man sich vorstellen konnte, völlig orientierungslos, aber zu stolz, um seine Fehler einzugestehen. Das lag größtenteils daran, dass er darauf programmiert war, einmal im Jahr jeden Haushalt im Universum abzuklappern, bis er wieder am Anfang seiner Rundfahrt, den Weihnachtsminen ankommt. Dies benötigte Geduld, Ausdauer und Schnelligkeit, aber nicht unbedingt einen detaillierten Plan des Weltalls, da er ja sowieso überall hin musste. So war es auch kaum verwunderlich, dass er in die komplett falsche Richtung geflogen ist, Ulf hatte jedoch bei weitem nicht genug Selbstvertrauen, um dem angsteinflößenden Bot dessen Fehler auf die Nase zu binden, ganz zu Schweigen von der Tatsache, dass der Weihnachtsbot überhaupt keine Nase besaß. So dauerte der Ausflug ein paar Stunden länger als geplant und jeder langweilte sich beinahe zu Tode, da die Dialoge nur für eine kurze Distanz geplant waren. Ace war trotzdem um Aufklärung bemüht. "Sag mal, Bot...was ist denn nun eigentlich passiert? Ich bin mir absolut sicher, dass das letzte, woran ich mich erinnern kann, ein kegelnder Gockel im Smoking war. Bin ich doof oder nur verrückt?" "Beides, Ace," antwortete der Bot, "aber das sollte eigentlich kein Gockel sein. Vielmehr sollte es eine Weihnachtsgans darstellen, welche Dir eine Vorahnung auf mein diabolisches Spiel, deshalb die Bowlingbahn, vermitteln sollte. Leider hatte der Kostümverleih schon alle Gänse verliehen, deshalb mussten wir mit dem Gockel in Abendgarderobe Vorlieb nehmen." "Okay", sagte Ace, sichtlich zufrieden ob dieser logischen und sinnvollen Erklärung der letzten Ereignisse, "dann wäre ja alles geklärt!".

Nach einer übertrieben langen Fahrt, auf der jeder Beteiligte nochmal seine Hintergrundgeschichte im Gedanken durchging, kam das Shuttle endlich auf dem Planeten der Weihnachtsminen an. Die Minen warfen in diesem Jahr wieder viele Geschenke ab, vor allem die Mundart-Edition von Filips Winchenbachs Klassiker "Ernesto, die lustige Bananenschale" feierte ein großes Comeback und war bei weitem die häufigste Ausbeute. Aber auch die Autobiografie des ehemaligen Kinderstars Elmo Pollard, dessen Karriere den Stoff für eine Tragödie oder einen zynischen Popsong von einem Haufen Spacehipster bieten könnte. Elmo hatte eine seltene Form des Tourette-Syndroms, die bewirkte, dass jedes dritte Wort, welches er äußerte, der Name einer Süßigkeit sein musste, diese Krankheit war bekannt unter dem Namen Togurette-Syndrom. In seiner Kindheit wurde dies noch als niedlich angesehen, jedoch hatte er keine Kontrolle darüber, welche Süßigkeiten er zusammenhanglos durch die Gegend schrie, was die Sponsoren natürlich mit der Zeit allesamt abspringen ließ. Der Erfolg seiner Lebensgeschichte "Als ich Dominosteine aß, erhaschte SCHOKOLADE ich gelegentlich SPACEKULATIUS flüchtige Blicke HMMMM KEKSE von Anmut JA KEKSE!" förderte auch den Konsum von Weihnachtsgebäck, was für die Süßwarenindustrie sowie für die Abspeckcampindustrie ein hübscher Seiteneffekt war.

Der Weihnachtsbot warf Ace und die restlichen Gefangenen in ein dunkles Loch, weil das jeder von ihm erwartete. "Ihr wart also auch alle schon mal hier, richtig?" fragte Ace die anderen Männer und alle nickten, was Ace aber nicht sehen konnte, da das Loch dunkel war. Eine rauchige, verkratzte Stimme antwortete trotzdem: "Ace, bist Du das?" "Ja klar! Und Du, wer bist Du?" Die Stimme brauchte ein paar Sekunden, um antworten zu können. "Erinnerst Du Dich nicht? Ich bin's, Zwerg! Busch ist auch hier, aber der ist gerade auf Toilette!".

Wuschh....da ging auch schon die Spülung. Busch hatte in letzter Zeit starke Probleme, seinen Blattsaft bei sich zu halten. Aber das ist eine andere Geschichte. Eine, die zu erzählen nicht nur den Rahmen dieses Blogs, sondern auch die Storytelling-Fähigkeiten des Autors sprengen würden. Interessanter ist vielmehr die, wie es Zwerg und Busch in den letzten Spacewochen ergangen ist. Ach, was soll die Lügerei, auch diese Geschichte ist relativ langweilig. Nur soviel: Zwerg schlug sich als Miniatur-Burlesque-Tänzer durch Space Vegas, während Busch seinem eigenen Gras beim Wachsen zugesehen hat. Trotz dieser enttäuschenden Abwesenheitsgründe der beiden Ace-Sidekicks fiel das Wiedersehen herzlich aus. So herzlich ein Wiedersehen in einem Raum, der stockfinster ist, nur sein kann: mittelmäßig herzlich.

"Habt ihr irgend eine Idee, wie wir wieder hier rauskommen?", fragte Ace die beiden, nachdem jeder seinen Welcome-Back Cocktail ausgetrunken hatte. "Nur soviel, die Toilette runterspülen - funktioniert definitiv nicht", antwortete Zwerg trocken. Ace wollte gerade an Zwerg rumschnüffeln, um zu riechen, ob er das nun wirklich probiert hat, als sich ein riesiger Bildschirm einschaltet und der Weihnachtsbot erschien. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift "No Grinch References please". Der Bot wartete absichtlich ein paar Sekunden ab, ob jemand einen Lacher oder wohlwollenden Kommentar parat hatte, aber es folgte nur das Rülpsen von Busch, dessen Blattsäfte schon wieder rumorten.

"HOHOHOHOHOR!", schallte es vom Bildschirm. "Na? Wie gefällt es euch in der dunklen Grube?" Die Gefangenen stimmten schnell ab: 31 stimmten für schlecht, 2 stimmten für gut. Zwerg war einer davon, schließlich konnte hier wenigstens niemand sehen, dass er von Kopf bis Fuß mit Kackwürsten geschmückt war. Die Flucht durch die Toilette war nicht seine "finest hour", um es wohlwollend auszudrücken. Der Weihnachtsbot wollte gerade wieder zum Lachen ausholen, da machte es Krach! Und er sank zu Boden. Im Hintergrund stand Ulf, einen Miniaturweihnachtsbaum in der Hand haltend, neurotisch und hibbelig. Tatsache, er hatte seinem Meister eins mitgegeben. "Ich hab die Schnauze voll von ihm. Dauernd diese Gefangennahmen. Schnell Leute, ich mach euch die Tür auf." Was klingt wie ein halbgarer Wendepunkt in dieser ungewöhnlichen Weihnachtsgeschichte sollte allerdings die Lage nur weiter zuspitzen. In seiner Hektik drückte Ulf den falschen Knopf. Dabei war es so simpel: grün stand für "Türe öffnen" und rot stand für "Tür öffnen und Selbstzerstörung der Minen".

Sofort ging die Notfallbeleuchtung an. Die Notfallbeleuchtung war im Endeffekt die normale Beleuchtung, nur dass zusätzlich in der Kantine ein kleines Schild mit der Aufschrift "Achtung Gefahr" zu Leuchten begann. Da momentan in der Kantine nur die unfreiwillige Aushilfskraft Wubwub anwesend war, blieb der Effekt gering. Immerhin, Wubwub war ganz aufgeregt. "Achtzehn Jahre arbeite ich hier", dachte sie sich, "und jetzt sehe ich zum ersten Mal die Notfallbeleuchtung. Zeit für 'nen Sekt."

"Schnell, durch die Tür", rief in der Zwischenzeit Ace. "Wow. Gute Idee, du Superheld", riefen die anderen, die natürlich schon längst durch die Tür geflüchtet waren. Das Geröll der Minen begann zu wackeln. Nicht mehr lange, dann würde der Laden kollabieren.

Die Flucht aus den einstürzenden Geschenkminen glich eher einem Glücksspiel als einer geplanten Rettungsaktion. Kaum hatten sich unsere Helden und der gesichtslose Mob der anderen Gefangenen für einen Weg aus ihrer Misere entschieden, schon flog ihnen zentnerweise das Geröll um die Ohren und sie mussten sich einen neuen Weg suchen. Ace war für diese dramatische Situation nicht vorbereitet, also fiel er schluchzend auf den Boden, um sich seinem, falls nicht doch noch etwas Unvorhersehabres geschehen würde, unausweichlichem Schicksal zu stellen: "Ohhhh, Grundgütiger! Wodurch habe ich das nur verdient??? Bitte, nimm' mein Leben, aber verschone an diesem Fest der Liebe die Seelen meiner Kumpanen! ...weißt du was? Streich das. Greif' dir am besten einen dieser namenlosen Gorillas, die ich erst vor fünf Minuten in einem dunklen Loch kennengelernt habe, aber um Deines Willen, verschone mich!".

Busch griff Ace an dessen Schulter. "Ace, ich glaube, du hast dir gerade selbst beantwortet, wodurch du das hier verdient hast. Es geht nicht darum, wieviele polkolopolesische Dreiviertelgöttinnen du ungestraft abservieren kannst oder wieviele Lovebots du deinen Freunden in der Hochzeitsnacht wegschnappen kannst, es geht darum, dass du mit offenen Augen durch dein Leben gehst und...Moment mal, was ist das für ein Leuchten?" Während Busch in sein flammendes Plädoyer für Mitgefühl und Menschlichkeit übergehen wollte, erschien der Meute ein flackerndes Licht, erst nur leicht blinkend, aber bald schon unübersehbar den kompletten, in sich einstürzenden Tunnel ausleuchtend. Nach einer kurzen Wartezeit, immerhin hatten es alle eilig, erschien ihnen ein Geist. Ace versank weiter im Pathos, denn er hatte eine Vermutung, was auf ihn zukommen sollte. "Geist der vergangenen Weihnacht, bist du's? Bist du hier, um mir eine Lektion zu erteilen? Oh Geist, ich seh' es doch selbst ein, zeig uns einfach einen Weg raus aus diesen Minen!".

Während Ace heulend auf den Minenboden einschlug, was übrigens keinerlei Wirkung zeigte, schaute sich der Geist gelassen um und begriff schnell die prekäre Lage, in der sich die Meute befand. "Ei, gude erstmal. Isch möcht' mich vorstellen, isch bin's, der Sylvester aus'm Westblock...isch bin übrigens tot. Was gibt's denn neues? Ach ja...die Minen kollabieren...sagt mal, warum lungert ihr hier noch rum, haut doch einfach über'n Lüftungsschacht ab!" Jeder, aber wirklich jeder der Gefangenen griff sich ungläubig an die jeweils eigene Stirn (bis auf Busch, der leider keine eindeutig definierte Stirn besaß, weshalb er einen Ast auf Aces Haupt mogelte). Sie sind im Kopf alle Klischees durchgegangen, die ihnen zu Fluchtmanövern einfielen, aber auf die offensichtlichste, den Lüftungsschacht, ist keiner gekommen. "Natürlich, der Lüftungsschacht!" schrie Ace, "Danke, Sylvester! Wer immer du auch bist..."

Glücklicherweise befand sich direkt über der Bande ein Eingang zum Lüftungsschacht und da man sich in dem Südostflügel der Minen befand, in dem hauptsächlich Geschenke für Meisterdiebe und Ventilationsbedarf abgetragen wurden, war es kein Problem, jeden einzelnen binnen weniger Minuten in den Schacht zu verfrachten. So dauerte es auch nicht lange, bis alle wieder unter der Wintersonne des Weihnachtsminenplaneten frei atmen konnten. "Nun," sagte Ace, "das wär's dann wohl gewesen. Wir sind alle wohlauf, es ist Weihnachten und die Geschenke aus den Minen haben diesen Unfall anscheinend auch unbeschadet überstanden." "Naja, ich weiß nicht," lenkte Busch ein, "sollte diese Geschichte keine Moral haben? Immerhin haben Weihnachtsgeschichten immer eine Moral. Du hast deine Lektion aber nicht gelernt und bist trotzdem der Held!" "Busch, natürlich habe ich meine Lektion gelernt. Ich habe begriffen, dass, wenn die dunkelste Stunde anbricht und es kein Licht am Ende des Tunnels mehr gibt, man immer noch auf seine engsten Freunde zählen kann, denn die werden einem bestimmt noch ein schlechtes Gewissen einreden wollen, bevor man in die ewigen Spacejagdgründe eingeht. Danke, Busch! Aber keine Angst, ich vergebe dir, immerhin ist ja Weihnachten. Weißt du was diesem Abenteuer wirklich noch fehlt? Eine Liebesgeschichte!"

Wie auf Abruf schaltete sich Ulf in das Gespräch ein, nachdem er, ungeachtet von allen, die er gerade vom sicheren Ableben bewahrt hatte, am Rand der eingestürzten Minen schluchzte. "Nun ja...wenn meine Geliebte hier wäre, könnten wir vielleicht eine gelungene Weihnachtsgeschichte vorweisen. Aber ich befürchte, sie ist unter diesem Geröll begraben..."

"Ulf, oohhhh, Ulf!" rief eine helle Stimme aus der nahegelegenen Verwaltungshütte, "ich bins, Wubwub!" Wubwub, die Aushilfskraft in der Kantine, schwebte nie wirklich in Gefahr. Nachdem sie genüsslich ihren wohlverdienten Sekt geschlürft hatte, nahm sie einfach die Hintertür aus der Kantine und gelang so über eine Treppe an die frische Luft. Sie wartete besorgt auf ihren Ulf, hatte aber die ganze Zeit über ein unerklärliches Bauchgefühl, das ihr sagte, alles würde wieder in Ordnung kommen. Also verschwendete sie ihre Zeit nicht mit Sorgen, sondern backte lieber Weihnachtsplätzchen für Ulf und die geretteten Gefangenen. Das Bauchgefühl stellte sich später als Segen für die junge Familie heraus, wurden sie doch ungefähr neun Spacerobotermonate später glückliche Eltern eines gesunden Roboterbabys. Ulf und Wubwub nannten das Kind demokratisch Wulfwulf, was auf verschiedene Arten verwirrend war, da es für einige Leute einen zweiköpfigen Werwolf implizierte, für Kenner der Roboternamensgebung aber einfach nur ein unsinniger Hybrid aus einem Männer- und einem Frauennamen war. Nichtsdestotrotz war die Familie glücklich und sollte noch viele Weihnachtsfeste miteinander feiern.

"Siehst Du, Ace", stellte Zwerg fest, "nun haben wir den Salat. Ich dachte schon, dieses Jahr könnte mal ohne Schmalz über die Bühne gehen." "Nah, mach' dir keine Gedanken. Lass uns lieber reingehen, ich glaube, ich rieche Kokosmakipferlsternchen...verfaulte Kokosmakipferlsternchen...igitt, das bist ja du! Naja...ich schätze, in der Hütte wird es auch eine Dusche geben."

Team Ace Jackson wünscht frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

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